Tage enden spät von Bernd Trost
Meine Füße berühren den Boden in der Nacht, halb herunter gelassene Jalousien werfen graue Schatten an die Wand. Mir ist schlecht und mein Kopf schmerzt, vielleicht denke ich, kann ich schlafen, wenn ich mir etwas trinke, einen Wodka oder ähnliches. Jeder Versuch aufzustehen verläuft sich im Sande, so dass ich eingestehe, dass ich liegen muss oder wenigstens sitzen, um mich nicht zu übergeben. Also bleibe ich sitzen und beobachte die Spinne, die schnell in einem Ärmel meiner Frau verschwindet und sich ab und zu mal sehen lässt. Viel zu lange ist es dunkel und mit den Stunden die gehen kommt der Drang meine Wände zu bemalen, in irgendwelchen hässlichen Neonfarben. Topf zu schlagen oder wenigstens etwas schlaf zu bekommen. Neidisch betrachte ich meine Frau, die laut schnarchend, entspannt auf der Seite liegt und nichts von meinen Aktivitäten erahnen würde. Ich bin versucht sie zu küssen oder aber zu würgen. Mein Kopf schmerzt und so lasse ich beides bleiben. Langsam sehe ich Licht, welches gewaltsam in mein Gemüt eindringt, es weckt später meine Frau, doch jetzt blendet es mich, weil ich doch nicht schlafen kann.
Veröffentlicht 2007
Später Herbst von Bernd Trost
Ich war gerade neun, da sah ich auf meinem Weg zur Schule das erste Mal einen Obdachlosen auf der Straße sitzen, welcher eine Zigarette rauchte. In schäbiger Kleidung saß er sehr entspannt gegenüber einer neu erbauten Verkehrsinsel. Ich ging damals in die dritte Klasse einer katholischen Grundschule, irgendwo in Deutschland. Irgendwann ertönte die Pausenglocke und wir Kinder durften in die Pause auf den Hof, um dort zu spielen. In einer Ecke sah ich ein Mädchen stehen und weil es traurig aussah, ging ich zu ihr. Sie sagte ich solle gehen. Doch als ich sie fragte ob wie spielen, sagte sie, dass sie ein Spiel kennen würde. Lege deine Hände hockend auf den Hals, sagte sie lächelnd, und dann, sagte sie freundlich, nach einer Weile springe auf. Davon wurde ich ohnmächtig und ich glaube so richtig aufgewacht bin ich dann erst mit neunzehn wieder. Ich war gerade sechsundzwanzig, da sah ich auf meinem Weg in eine Diskothek das erste Mal zwei Männer die sich küssten, in einem Bus, auf dem nichts stand und in dem kein Licht brannte. Ich war damals mit Freunden verabredet irgendwo an der Theke. Niemals fand ich sie, denn irgendwann stand eine junge Frau dort alleine herum. Und da sie traurig aussah, ging ich zu ihr. Sie sagte verschwinde also ging ich wieder Heim. Über den Domplatz und suchte nach Obdachlosen.
Veröffentlicht 2007
Auf der Suche nach Gott von Bernd Trost
1933
Würzburg, Studentenhaus, Zimmer 70
M. stand alleine angelehnt an einer der weiß gestrichenen Wände in Zimmer 70. Er hörte still alle Propaganda, war er doch herein geschlichen ohne wen zu grüßen und verschloss den Hass, die Anschuldigungen in seinem Herzen, dass sie keiner sehen konnte. Der Aufruf war klar an jene Wände genagelt worden, welche er als Kind, auf dem Nachhauseweg mit dem Finger streifte. Mit den selben Fingern, mit denen er später, erst kürzlich eines der Bücher schrieb, welches auf einer Namensliste stand, welche dubiose Klarheit schaffen sollte, was anti-deutsch war oder gar Vaterlandsverrat. Von säubern war die Rede und Retten, wo er sich doch Wichtig oder Unterhaltsam als Beschreibung für sein Werk gewünscht hatte. M. war seit langer Zeit klar, dass er sich auf einem Grad bewegte, den niemand mehr zusteuern konnte oder aber wollte. Die kulturelle Gleichstimmigkeit war ein Witz geworden und die Juden schuld an dem ersten Weltkrieg, hetzte es aus vielen rauchenden Köpfen. Er hatte die Gefahr erkannt und nun wollte er im Geheimen mit ansehen wie sein Buch, ein Teil seines Lebens, in die Flammen geworfen wird. Wie er es mit Feuer gleichem Eifer geschaffen hatte, in kalten von Ängsten beherrschenden Nächten. In denen er vergeblich zu Gott betete und flehend um Hilfe schrie. M. war müde als sie los zogen, mit erhitzten Gemütern, zu jenen Sammelstellen, an denen die Bücher zu Türmen gehäuft wurden. Er war entsetzt wie sie unter fast kultischen Sprüchen in das heißeste Feuer, welches die Welt jemals sehen sollte, geworfen wurden. Er musste weinen als er lautes Klatschen, begleitet vom Grölen der Massen, hörte. Denn M. war ein Mensch.
Veröffentlicht 2008
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